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Praxis

Lohnt sich ein Windstandort in Wald oder Bergen?

Ein Waldweg im Arnsberger Wald in Nordrhein-Westfalen, hohe Tannen, in der Ferne grüne Hügel. Hier weht eigentlich immer Wind. Ein guter Standort für einen Windpark?

„Kommt darauf an”, ist die Antwort von Christoph Hilling, Abteilungsleiter Wind & Site Engineering bei ENERCON. „Entscheidend ist nicht nur, dass Wind weht, sondern auch wie er weht.” Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von ENERCON Wind & Site Engineering, prüft Christoph Hilling spezifische Projekte auf ihre Windbedingungen – über 1.000 pro Jahr. Und diese können mitunter komplex sein.

„Im Flachland sind die Windbedingungen recht einfach zu berechnen. Wälder oder Berglandschaften stellen dagegen komplexere Windsysteme dar”, erklärt Dr. Sebastian Remmler, Experte für Strömungssimulation bei ENERCON Site Analytics. Der Grund sind Strömungsablösungen an Berghängen oder Windscherung – also Bedingungen, bei denen Geschwindigkeit und Richtung des Windes stark variieren und damit eine besondere Belastung für Komponenten von Windenergieanlagen darstellen können.  

„Seit jeher sind komplexe Standorte bei ENERCON per se kein Ausschlusskriterium für eine Projektumsetzung. Im Gegenteil: In Hinblick auf die begrenzten Ausbauflächen sind vermehrt auch bewaldete oder bergige Standorte in Betracht zu ziehen”, erklärt Dr. Marcus Letzel, Abteilungsleiter Site Analytics & Meteorology bei ENERCON. „Um jedoch eine realistische Einschätzung für die Risiken und am Ende den kommerziellen Erfolg eines Projektes treffen zu können, müssen wir die Strömungsverhältnisse an jeder einzelnen Anlagenposition in unterschiedlichen Höhen sehr genau kennen. Dabei spielt die Qualität der Simulation eine entscheidende Rolle."

Und die konnte das ENERCON-Team mit der Weiterentwicklung der unternehmenseigenen CFD-Software “E-Wind” nochmals verbessern. „Seit 2017 haben wir E-Wind im Einsatz und optimieren das Tool kontinuierlich in Hinblick auf Automatisierung, Qualität, Integration in Prozessketten oder grafische Darstellung”, erklärt Judith Langner, E-Wind Entwicklerin bei Site Analytics. „Mit dem neuesten Update können wir nun noch umfangreichere Analysen von potenziell riskanten Windbedingungen an einzelnen Anlagen-Positionen durchführen – und zwar schon in der Planungsphase.” Voraussetzung dafür sind neben digitalen Gelände- und Landnutzungskarten detaillierte, lokale Messdaten zur Kalibrierung der Simulationsparameter.

„Die Investition in Winddaten gemessen im zukünftigen Windpark in Höhe der Rotorkreisfläche einer potentiellen Windenergieanlage über einen längeren Zeitraum lohnt sich – besonders an komplexen Standorten”, erklärt Christoph Hilling. So könne nicht nur das Site Layout optimiert oder der jährliche Energieertrag genauer prognostiziert werden, auch das Risiko eines verzögerten Return on Investment würde so reduziert. „Versorgen wir unser Simulationstool mit möglichst realistischen Daten, können wir die CFD-Modelle kalibrieren und aus den Ergebnissen wertvolle Erkenntnisse zu Lasten, Lebensdauer oder sektorieller Abregelung ziehen – alles Informationen, die auch über den kommerziellen Erfolg eines Projektes entscheiden”, so der Ingenieur. Alternativ zu individuell erhobenen Messergebnissen kann ENERCON in weniger komplexen Gebieten auch auf die umfangreichen Daten nahegelegener, bestehender Windenergieanlagen zurückgreifen.  

Wie wichtig E-Wind für externe, aber auch interne Kunden in der Entwicklung ist, zeigt die kontinuierlich steigende Anzahl an Windpark-Projekten, die mit E-Wind gerechnet werden. Die Eigenentwicklung bietet für ENERCON wesentliche Vorteile im Vergleich zu Open-Source-Lösungen oder kommerziellen Anbieter. So wissen die Experten bei ENERCON genau, wie die Software funktioniert, haben die volle Kontrolle über die Ergebnisqualität und können das Tool flexibel an benötigte Anforderungen anpassen. Daneben fügt es sich bereits hervorragend in die Prozesskette ein und beschleunigt so den gesamten Prüfprozess. Zusätzliche Erweiterungen der Software sind bereits in Planung.  

Darstellung aus E-Wind: Die Software ist in der Lage, auch komplexe Windbedingungen wie Strömungsablösung und Rezirkulationsgebiete zu modellieren (“aufgerollte” Stromlinien). Flächen mit solchen risikoreichen Windbedingungen werden automatisch identifiziert (dunkelrot eingefärbt) und der Projektingenieur erhält entsprechende Warnungen falls geplante Windenergieanlagen betroffen sind.”

Ein typisches Bild eines möglichen Windparkstandorts oben auf einer Bergkuppe (Baumfraß durch Borkenkäfer). Vergleichbare Standorte werden vom Wind&Site Engineering Team mithilfe der unternehmenseigenen Simulationssoftware E-Wind geprüft.